Vinzenz Höck sicherte mit EM-Silber an den Ringen den größten Erfolg in der österreichischen Kunstturn-Geschichte.
Als Vinzenz Höck nach seiner Kür blitzsauber auf der Matte gelandet war, ballte er seine Fäuste und nahm einen tiefen Atemzug. Man kann es in diesem Moment nur ahnen, aber der Stein, der ihm vom Herzen gefallen ist, muss groß wie ein Fels gewesen sein. Der 24-jährige Grazer hat im EM-Finale der Kunstturner in Mersin (TUR) mit Silber an den Ringen den größten Erfolg der österreichischen Turn-Geschichte bei einer Europameisterschaft fixiert. Es ist die erst zweite Medaille nach Bronze von Hans Sauter in Frankfurt 1955 am Pauschenpferd.
Seine Kür an den Ringen war nicht nur fehlerlos, sondern laut Höck gar die beste, die er in dieser Saison gezeigt hat. Der Weg dorthin war kein einfacher, Höck gibt einen tiefen Einblick in seine Gefühlswelt: „Ein bisschen sind mir die Emotionen durchgegangen vor dem Finale. Ich war nervös und habe Weltmeister Ibrahim Colak beobachtet, der Gold gewonnen hat. Da habe ich gewusst: Ich muss mich zusammenreißen.“ Das hat Höck, der im Oktober in Ungarn den ersten österreichischen Weltcupsieg geholt hat, auch getan: „Ich habe, als ich gestanden bin, gewusst: Das war eine gute Übung. Da könnte sich etwas ausgehen.“
Die EM war für Österreichs Turner ein Erfolg. Im Team-Finale gab es Rang sechs und neben Höck qualifizierte sich auch Severin Kranzlmüller (Barren, 6.) direkt für ein Geräte-Finale. Und sogar Alexander Benda durfte am Sonntag nochmals antreten: Höcks Zimmerkollege war nach der Boden-Qualifikation Neunter. Weil ein Finalist sich verletzt hat, ist er von der Warteliste in das Finale gerutscht. „Ich habe mich darauf vorbereitet. Dass ich teilnehmen darf, habe ich 40 Minuten davor erfahren“, sagt Benda. Mit Platz sieben war er zufrieden, über den Erfolg seines Kollegen des Allgemeinen Turnvereins Graz freute er sich. „Ich habe ihm vor seinem Finale den Griff geschmiert, danach habe ich auf der Matte mitgefiebert. Hinter dem Weltmeister darf man schon Zweiter werden.“
Nach dem Finale belohnten sich die Turner mit einem Dürüm, einer türkischen Spezialität. „Das haben wir uns vorgenommen, seit wir hier sind. Wir wollten aber vor dem Finale nichts riskieren“, sagt Benda und lacht. Für die Grazer geht es nun in die Wettkampfpause. Beim Gedanken an 2021 beginnen Höcks Muskeln aber wohl schon zu zucken. Denn da „ringt“ er um die Olympia-Qualifikation – und um seinen nächsten Meilenstein.
(David Baumgartner, Kleine Zeitung 14.12.2020)